Ingeborg Bachmann
An die Sonne
Schöner
als der beachtliche Mond und
sein geadeltes Licht
Licht,
Schöner
als die Sterne, die berühmten
Orden der Nacht,
Viel schöner als der feurige Auftritt eines Kometen
Und zu weit höherem berufen als jedes andere Gestirn,
ist die Sonne.
Schöne
Sonne, die aufgeht, ihr Werk
nicht vergessen hat
Und beendet, am schönsten im Sommer, wenn ein Tag
An den Küsten verdampft und ohne Kraft gespiegelt
Die Segel
Über dein Auge ziehn, bis du müde wirst und das Letzte
verkürzt.
ohne die Sonne nimmt auch die Kunst wieder den
Schleier.
Du erscheinst mir nicht mehr, und die See und der Sand,
Von Schattengepeitscht, fliehen unter mein Lid.
Schönes
Licht, das uns warm hält,
bewahrt und
wunderbar sorgt,
Daß ich wieder seh und daß ich dich wiederseh!
Nichts schöneres unter der Sonne als unter der Sonne
zu sein...
Nichts
Schöneres
als den Stab im Wasser zu
sehn und den
Vogel oben,
Der seinen Flug überlegt, und unten die Fische im
Schwarm,
gefärbt, geformt, in die Welt gekommen mit einer
Sendung von Licht,
Und den Umkreis zu sehn, das Geviert eines Felds, das
Tausendeck meines Lands
Und das Kleid, das du angetan hast. Und dein kleid,
glockig und blau!
Schönes Blau,
in dem die Pfauen spazieren
und sich
Verneigen,
Blau der Fernen, der Zonen des Glücks mit den Wettern
für mein Gefühl,
Blauer Zufall am Horizont! Und meine begeisterten
Augen
Weiten sich wieder und blinken und brennen sich wund.
Schöne Sonne,
der vom Staub noch die größte
Bewunderung gebührt,
Drum werde ich nicht wegen dem Mond und den Sternen
Und nicht,
Weil die Nacht mit Kometen prahlt und mir einen
Narren sucht,
Sondern deinetwegen und bald endlos und wie um nichts
sonst
Klage führen über den unabwendbaren Verlust meiner
Augen.
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